Mittwoch, Januar 05, 2011 Zwangsarbeit und Lager in Peine
Zwangsarbeit? Bei uns in Peine?
Auch in Peine war schon bald nach Kriegsbeginn der Umgang mit Zwangs- und Fremdarbeitern klar definiert und fand nicht im Verborgenen oder auschließlich hinter hohen Mauern oder Zäunen statt. Die "Unterkünfte" der Zwangs- und Fremdarbeiter waren über das Stadtgebiet verteilt, zum Teil in separaten, extra zu diesem Zweck errichteten, eingezäunten Barackenlagern, zum Teil aber auch in privaten Wohnungen, Gaststätten oder anderen zivilen Einrichtungen wie z.B. in Lagerhallen.
Groß- und FirmenlagerDie "Groß- und Firmenlager" lagen eingezäunt und streng bewacht hinter Stacheldraht. Der Arbeitseinsatz in den industriellen Großbetrieben oder in der Rüstungsproduktion war für die Arbeiter und Häftlinge oft wesentlich härter und unmenschlicher als bei manchem Peiner Kleinbetrieb oder aber im Einsatz bei der Landbevölkerung, u.a. auch in der Landwirtschaft der umliegenden Dörfer (Edemissen, Blumenhagen, Eddesse, Ilsede, Ölsburg, Oberg etc...).
Ein Beweisstück für den Einsatz sowjetischer Kriegsgefangener ist die oben abgebildete Anfrage des Kulturbeauftragten der Kreisleitung der Peiner NSDAP, H. M. Finger, an das Stadtbauamt, ob Pappeln für eine Bepflanzung der Strecke Eixe-Vöhrum die geeignete Baumart seinen, da "...die Gemeinden Vöhrum und Eixe beabsichtigen, ... jetzt schon die Löcher durch russische Gefangene ausheben [zu] lassen." Diese Anfrage wurde im Februar 1943 gestellt.
Quelle: Stadtarchiv Peine
Obwohl Kriegsgefangene nach den damaligen Haager Bestimmungen nicht in der Rüstungsindustrie beschäftigt werden durften, ist belegt, dass auch im kleinen Städtchen Peine Frauen und Männer aus Polen, Russland, der Ukraine, Frankreich, Italien, Belgien und anderen europäischen Ländern für "den Endsieg" und die Weltherrschaftsträume der Nazis schuften, leiden oder gar sterben mussten. Für "Arbeitsverweigerer" und "Querulanten" gab es in Salzgitter das berüchtigte GESTAPO-"Lager 21", in das vor allem "Ostarbeiter" eingeliefert wurden.
Die Lager "Ost" und "Wiesengrund"Das Luftbild aus den späten 1940er Jahren zeigt die Woltorfer Straße in Peine mit den Lagern bei der ehem. "Eisengießerei Westphal" (2), "Gäbler Armaturen" (1) und den "Peiner Mineralölwerken" (3). Für das Lager bei der Eisengießerei (Woltorfer Straße 100-102) war auch die Bezeichnung "Lager Ost" üblich, das Lager auf dem Gelände "Gäbler" wurde auch unter der Bezeichnung "Wiesengrund" geführt.
Fast alle der damals gebauten Baracken wurden im Rahmen eines "deutschlandweiten Baracken-Abrissprogramms" in den Jahren 1959/1960 abgerissen, es sind heute nur noch vereinzelt Originalbauten oder Spuren und Relikte der damaligen Anlagen erhalten, zum Teil umgebaut oder umgenutzt, zum Teil aber auch schlicht und einfach "vergessen"
Abb.: Ehem. Gleisanschluss, Schienen,
Woltorfer Straße (02/2004)
Ehemaliger Standort des Lagers "OST" heute (2/2004)
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Die MineralölwerkeBei den erst im im Jahr 2000 still gelegten "Mineralölwerken Peine" an der Schäferstraße / Ecke Woltorfer Straße waren Quellen aus dem Peiner Stadtarchiv zufolge ausschließlich Sowjetbürger beschäftigt. Auf einem älteren Übersichts-Plan des Werksgeländes aus dem Jahr 1960 ist eine "Wohnbaracke" eingezeichnet, die möglicherweise noch zu den ehemaligen Zwangsarbeiterunterkünften zu zählen ist.
Abbildungen (Aussenansichten der ehem. "Mineralölwerke", 8/2002)
1: Reste einer Wandbeschriftung
2: Nördliche Werksmauer
3: Mauer und Trafostation an der Schäferstraße
4: Ehem. Werkstattgebäude an der Schäferstraße
5: Blick auf die hintere Werkseinfahrt und eins der Gebäude
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Lager "Edelweiß"
Das "Lager Edelweiß" befand sich, genau genommen, südlich des Übergabebahnhofes am Rand des Walzwerkgeländes zwischen Dungelbecker Überweg und Phosphatmehl-Lagerhalle. Der Eingang lag südlich im Bereich der Küche und der ausserhalb der Umzäunung gebauten Baracke "Nr. 10", in der sich vermutlich die Unterkunftsräume für die Wachmannschaften befanden.
Über einen Feldweg wurden die Arbeiter/innen über den Dungelbecker Übergang zu ihrer Arbeitsstätte gebracht. Welche Personengruppen oder Einzelpersonen wo genau gearbeitet haben, ist heute nicht mehr in jedem Einzelfall festzustellen.
Abb. Trümmerfeld am Dungelbecker Übergang, aufgenommen im Herbst 2003. Es handelt sich hier um Relikte des Lager "Edelweiß" oder aber um Reste des durch Bombardierung zerstörten Übergabe-Bahnhofs sowie des Nebengebäudes.
Im Januar 1943 hatte das Lager "Edelweiß" nachweislich 26 Baracken, 4 gemauerte Toiletten, eine Küche und eine eigene, etwas separat gelegene "Entlausungsanstalt". Die "Desinfektion" wurde ab 1942 auch vom Peiner Krankenhaus in der Sundernstraße durchgeführt, nachdem man dort die entsprechenden Einrichtungen fertig gestellt hatte. Im Lager selbst gab es dann drei voneinander getrennte und separat eingezäunte Bereiche - Frauen, Männer, Zivilarbeiter und Kriegsgefangene wurden getrennt untergebracht. Die einzelnen Lager waren dann nochmals von einem weiteren Zaun umgeben, der den gesamten Komplex umschloss. Quellen aus dem Stadtarchiv lassen darauf schließen, das es dass es ein "Lager Nr. 1" für Kriegsgefangene, ein "Lager Nr. 2" für "Ostarbeiter" und ein "Lager Nr. 3" für "Ostarbeiterinnen" gegeben hat.
Bei der offiziell angegebenen Höchstzahl von 7272 beschäftigten Zwangs- und Fremdarbeitern kam somit jeder zweite Beschäftigte aus dem Ausland! Damit ist allerdings die tatsächliche Gesamtzahl nicht genannt, da ein Teil der im Werk beschäftigten Arbeiter in Lagern ausserhalb des Geländes untergebracht waren. Bisherigen Erkenntnissen zufolge ist das Lager "Edelweiß" Unterbringungsort für polnische und sowjetische Arbeiter gewesen, während die Arbeiter anderer Nationen woanders untergebracht wurden, hierzu zählte vermutlich auch das "Lager 30" in Telgte sowie verschiedene Unterkünfte in zu diesem Zweck requirierten Zivilbauten.
Abb.: Historische Werbeanzeige / Ehem. Standort des Lagers "Braunschweiger Straße 30" im hinteren Bereich der ehem. Kohlenhandlung "Köhler & Hennies", die im Krieg zerstört und nicht wieder aufgebaut wurde ( vergl. "Bahnlager").
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"LAGER 30" und andere, TELGTE
In Telgte gab es mehrere große, "kriegswichtige" Industriebetriebe, und so sind auch dort Zwangsarbeiterlager entstanden. Man hatte schon 1939 begonnen, das Barackenlager der im selben Jahr geteuften "Schachtanlage I/II" der "Hermann Göring-Werke" zu errichten, anfangs mit einer Kapazität von 284 Plätzen, schrittweise dann ausgebaut auf bis zu 1000 Plätze. In den Kriegsjahren waren dort allerdings "nur" 320 bis 440 Personen als Gesamtbelegschaft angegeben. Das "Lager 30" befand sich einst gegenüber der Schachtanlage zwischen der heutigen Vöhrumer Straße, Fröbelstraße, an der Ecke Friedenstraße.
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